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Durch Sippenhaft ausgelöscht: Josefa Leiss (l.u.), ihre Tochter Hanna, verh. Christen (daneben) und ihre Söhne Josef und Felix (l. und r. oben). Nach Felix Leiss wurde 1946 die Ausbildungswerkstatt in der Uerdinger Waggonfabrik benannt. Rechts unten: Vater Franz Leiss, der bereits verstorben war, oben Mitte: Wenzel Leiss.

Mahnmal und Stolpersteine für die Familien Leiss und Christen

von Bernhard Schmidt

Ei­nem der bru­tals­ten Ver­bre­chen der NS-Zeit im da­ma­li­gen Kreis Mo­ers fie­len die pol­nisch-stäm­mi­gen Fa­mi­li­en Leiss und Chris­ten aus der Ruhr­stra­ße 76 in Mo­ers-Hoch­straß und der Au­gus­ta­stra­ße 2 in Mo­ers zum Op­fer.¹ Un­ter Be­ru­fung auf das Ter­ror­in­stru­ment der „Sip­pen­haft“ wur­den in Mo­ers sie­ben Men­schen, dar­un­ter zwei hoch­schwan­ge­re Frau­en und die erst 2½-jäh­ri­ge Ma­ri­an­ne Leiss, ab­ge­holt und im KZ Sach­sen­hau­sen er­mor­det.

Die in der Presse reichsweit propagierte Überschrift „Polnische Verräterfamilie unschädlich gemacht“ sollte zu einem Zeitpunkt als Abschreckung wirken, da die Vernichtung der deutschen Armeen in Stalingrad im Februar 1943 die „Götterdämmerung“ der NS-Gewaltigen einläutete und Reichspropagandaminister Goebbels in seiner berühmten Sportpalastrede für den „totalen Krieg“ warb.

Ausgelöst wurde die Aktion der Krefelder Gestapo-Außenstelle in Moers durch das angebliche Überlaufen des Panzergrenadiers Wenzel Leiss an der Ostfront im Dezember 1942.

Bereits unmittelbar nach dem Krieg hatten sich Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zur Erinnerung an die ermordeten Familien versammelt. Aber erst im Februar 1993, zum 50-jährigen Gedenken an die Auslöschung der beiden Familien, rief Bürgermeister Brunswick zu einer ersten öffentlichen Gedenkstunde im Moerser Stadtrat auf.

Foto: NS-Dokumentation Stadt Moers

Das Mahnmahl 1998

Im Bei­sein von Über­le­ben­den aus den Sei­ten­li­ni­en der Fa­mi­lie und ei­nes Ver­tre­ters der pol­ni­schen Bot­schaft wur­de am 27. Ja­nu­ar 1998 vor dem Haus der Ruhr­stra­ße 76 in Mo­ers-Hoch­straß, dem El­tern­haus der Fa­mi­lie, ein Mahn­mal zu Eh­ren der Fa­mi­li­en Leiss und Chris­ten fei­er­lich ent­hüllt – „Ein Platz“, wie die NRZ/WAZ schrieb, „ge­gen das Ver­ges­sen“²

Dies geschah am „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“, den Bundespräsident Roman Herzog zwei Jahre zuvor eingeführt hatte.Die Inschriften auf dem kleinen Mahnmal lauten:

Den Familien Leiss und Christen,

ermordet 1943 im KZ Sachsenhausen

über das Terrorinstrument der Sippenhaft“

sowie auf dem Sockel

Erinnern wir uns und bleiben wir wachsam!

Die künstlerische Gestaltung des Mahnmals oblag dem Moerser Künstler Gautam. Für den mit Ziegelsteinen aufgemauerten Sockel besorgte er alte Feldbrandsteine, die in der Gegend und auch in der Siedlung Tradition sind.

Die eingehängte gebrauchte Ofenplatte ist für ihn Symbol für den wärmenden Herd, den Schutz in der Familie. Sie steht hier aber auch für Tod, Verbrennen und Asche.

Aufstellen des Mahnmals durch den Moerser Künstler Gautam und Schmied Arnold Ueltgesforth

Foto: NS-Dokumentation Stadt Moers

Einweihung des Mahnmals unter Beteiligung der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden von Meerbeck und Hochstraß

Foto: NS-Dokumentation Stadt Moers

Die beiden ineinander greifenden Buchstaben-Spiralen sind einer Rose nachempfunden, einem der bekanntesten Symbole des deutschen Widerstands – die Geschwister Scholl aus dem Widerstandskreis der „Weißen Rose“ wurden – ebenfalls reichsweit zur Abschreckung propagiert – am 22. Februar 1943 hingerichtet, 18 Tage nach dem Mord an der Moerser Familie Leiss.

An der Einweihung beteiligten sich die vier evangelischen und katholischen Kirchengemeinden von Meerbeck und Hochstraß. Sie hatten bereits für die Finanzierung gesammelt, deren Großteil die Kulturstiftung der Sparkasse übernahm. SchülerInnen der nahe gelegenen Albert-Schweitzer-Schule und der Justus-von-Liebig-Schule brachten weiße Rosen mit, erinnerten an die Namen der Ermordeten und trugen Gedichte vor. Der Knappenchor Rheinland begleitete den feierlichen Akt.

Wachsam bleiben! Reden zur Einweihung

Pfarrer Klaus Ulaga betonte bei seiner Ansprache „Der Name Leiss steht für alle, die sinnlos umgekommen sind“. Weiter führte er u. a. aus:

„Was heißt das, ‚Erinnerung’? Sich erinnern bedeutet: Etwas in mein Inneres lassen und betroffen sein. Ein Ereignis zum eigenen Lebensthema machen. Betroffen und angerührt sein – gleichsam mit der Fragestellung: Kann im Inneren eines Menschen solch ein Abgrund sein, dessen dunkle Tiefen solch ein Maß an Grausamkeit erzeugen?

Genau so ist zu fragen: Was bedeutet ‚Wachsamkeit’? Sie ist mehr als Frische oder Ausgeschlafensein. Der wachsame Mensch ist feinfühlig und aufmerksam für diese unheimlichen Abgründe im Menschen, so dass er nach den wahren Gründen der Würde des Menschen fragen kann. Hellwach, die menschlichen Abgründe kontrollierend, erhofft und erstreitet der wachsame Mensch, dass das Unkraut von Gewalt und Brutalität nicht weiter wächst. Diese erinnernde Wachsamkeit oder wachsame Erinnerung ist sehr wichtig und notwendig, weil noch immer der Schoß der Gewalt fruchtbar ist, wie B. Brecht an einer Stelle sagt.“

Die Hauptansprache hielt der Erste stellvertretende Bürgermeister Karl-Heinz Brohl (CDU), der selbst aus diesem Ortsteil stammt:

„Excellence, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei den vielfältigen Bemühungen, die nationalsozialistische Vergangenheit zu bewältigen, sind immer wieder zwei Äußerungen zu hören. Einmal der hilflose Versuch einer Entschuldigung, wo es doch keine Entschuldigung gibt: „Das haben wir alles nicht gewusst!“ und die unwissende Anklage, wo es doch keine Anklage gibt: ‚Warum habt Ihr dies nicht verhindert?’

Beide Äußerungen sind hier absolut fehl am Platze, und zwar wortwörtlich: Sie sind fehl an diesem Platze. Hier in Meerbeck, hier in Hochstraß haben es alle gewusst, was sie mit der Familie Leiss gemacht haben, die damaligen Machthaber. Auch das Schicksal eines Doktor Meyer hier von der Lotharstraße war bekannt. Es war auch Tag für Tag und Nacht für Nacht zu sehen und auch zu hören, welche Quälereien die russischen Kriegsgefangenen oft mit Todesfolge erdulden mussten. Nein, alle haben es gewusst.

Aber keiner konnte es verhindern. Auch das ist historisch gesicherte Tatsache. Keine noch so große Heldentat war in der Lage, das unermessliche Leid von der Familie Leiss abzuwenden. Derjenige, der es versucht hätte, der wäre unweigerlich den gleichen Weg gegangen ohne jede Chance. Deshalb wurde hier kein Pranger errichtet, sondern ein Mahnmal. Keine ständige Anklage, sondern ein immerwährender Aufruf, ja eine beschwörende Bitte: Seid wachsam!

[…] Seid wachsam! Denn am 8. Mai1945 kapitulierte eine Armee bedingungslos, nicht die Gedanken kapitulierten bedingungslos. Nicht die Skinheads gefährden den Bestand unserer Demokratie, nicht einmal die skandalösen rechtsradikalen Exzesse in einigen Bundeswehrkasernen. Damit muss und wird auch der Rechtsstaat mit seinen vielfältigen, gesetzlichen und strafrechtlichen Möglichkeiten fertig werden. Nein, wirklich gefährlich für die Demokratie sind aufrechnende Äußerungen wie: ‚Na ja, es war ja nicht alles schlecht, was der Hitler so gemacht hat.’

Seid also wachsam! Der Nationalismus – und um verhängnisvollen Irrtümern vorzubeugen – Nationalbewusstsein, Nationalgefühle, Vaterlandsliebe sind etwas ganz, ganz anderes, Nationalismus ist ein schleichendes, die Demokratie letztendlich zerstörendes Gift. Deshalb: Seid wachsam, damit sich nicht irgendwann einmal wieder hier in dieser Siedlung Menschen zusammenfinden müssen, und so ein Mahnmal errichten müssen, weil sie alle alles gewusst haben und es doch wieder einmal nicht verhindern konnten.“

Anlässlich der Mahnmaleinweihung für die Familie Leiss entwickelte das Studio „S“ des Moerser Bürgerfunks eine Hörfunk-Reihe in vier Folgen, die unter dem Titel „Wenzel Leiss“ Ende Januar und Anfang Februar über Radio KW ausgestrahlt wurde.

Aber auch zur weiteren Aufklärung der Menschen im Stadtteil behält das Erinnern durchaus seine Berechtigung. So klagten Angehörige der Familie, dass damals gestreute Nazi-Legen­den leider noch immer weiter kolportiert würden: Onkel und Tante hätten mit einem umge­bauten Radio alli­ierte Bomber auf das Treib­stoffwerk gelenkt. Und auch der Verfasser erfuhr von einem Nachbarn des Hauses, der sich einige Tage zuvor bereits gegen die Einrichtung der kleinen Erinne­rungsstätte ausgesprochen hatte, er habe gerade jetzt noch einmal von seinem Großvater gehört, Angehörige der Familie Leiss seien ja damals „sogar noch im KZ frech geworden“.

Zeitungsbericht: Der Grafschafter v. 15.2.1943

Die Stolpersteine 2013 und 2014

Im Mai 2013 wurden durch den bekannten Kölner Künstler Gunter Demnig in der Moerser Augustastraße Stolpersteine für Theodora Leiss, geb. Chwirot, geb. 1917, und ihre 1940 geborene Tochter Marianne Leiss gelegt, beide ermordet 1943 im KZ Sachsenhausen.

Am Elternhaus der Familie Leiss in der Ruhrstraße 76 wurden im August 2014 zwei weitere Stolpersteine für die 1881 geborene Josefa Leiss und ihren 1916 geborenen Sohn Josef Leiss gelegt, beide ebenfalls ermordet im Februar 1943 im KZ Sachsenhausen.

Federführend war in beiden Fällen der Moerser Verein „Erinnern für die Zukunft“ (www.efz-moers.de). Aktiv an der Gedenkfeier nahmen Schüler der Uhrschule teil, einer Grundschule im benachbarten Moers-Meerbeck.

Demnig mit Schulkindern

Foto: NS-Dokumentation Stadt Moers

Beide Fotos: NS-Dokumentation Stadt Moers

Quellen und weitere Informationen

  1. vgl. auch die Dokumentation „Tatort Moers“, S. 327 ff.)
  2. Ausgabe v. 28.1.1998; weitere Berichte: Moerser Monat, März 1998; Jahrbuch Kreis Wesel 1994, S. 28-34.
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